Gelbe Gesellschaftsanalyse: Die Simpsons in uns allen

Matt Groening, Philosoph und Erfinder der Serie „Die Simsons“, hat eine Serie für alle und aus allen geschaffen. Die Simpsons, das sind nicht nur Homer, Bart und Co. Es ist ein Zeichentrick-Universum in Gelb, das alle Typen, Probleme und Sehnsüchte der Gegenwart spiegelt. Philosophisch präsentiert die Serie Agnostizismus als Erfolgsmodell und orientiert sich dabei an Epikur und Diogenes.

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„The Simpsons Movie“. Bild: dpa / picture-alliance

Matt Groening: Kopf und Urheber der Serie

Wenn man über die Botschaft der Simpsons redet, kommt man an Matt Groening nicht vorbei, dem Schöpfer und Mastermind der Serie. Viele Familienmitglieder der Simpsons hat Groening nach seinen eigenen Angehörigen benannt. Er studierte am Evergreen State College in Olympia (Bundesstaat Washington) liberale Künste, darunter Philosophie. Seine eigene agnostische Weltanschauung hat er auch auf die Fernsehserie übertragen. Agnostizismus ist die Position des „ich weiß nicht“. Aber nicht nur das, der Agnostiker geht darüber hinaus nur momentan nichts zu wissen, sondern meint, dass man grundsätzlich über die letzten Fragen, wie die über Gott, nichts wissen kann. Daraus folgt natürlich, dass man sein Leben nicht verbindlich religiös ausrichtet. Letzte Wahrheiten bleiben vielmehr immer in der Ungewissheit und es gilt meist pragmatisch, nützlich und irgendwie genüsslich mit dem Leben klarzukommen. Vernunft allein ist meist kein ausreichender Antrieb. An dieser Stelle heißt es: Willkommen bei den Simpsons!

Springfield als Mikrokosmos der Westlichen Welt

Springfield, die Stadt, in der die Simpsons und alle ihre Nachbaren, Freunde und Feinde herumwuseln, zeigt gleichsam die ganze menschliche Spannweite an Typen auf kleinstem Raum. Es werden familiäre, persönliche, religiöse, politische, kapitalistische und unzählige weitere Lebensentwürfe dargestellt und miteinander in Konflikt gesetzt. Dabei gewinnt meist der diogenesische Homer Simpson und es verliert der krankgläubige Nachbar Ned Flanders. Homer Simpson, der im Atomkraftwerk arbeitet, hat ein Eigenheim, eine Frau und drei Kinder. Er ist weder für seinen Job noch für seine familiären Aufgaben wirklich qualifiziert. Aber er kommt dennoch gut durchs Leben. Weder Manieren noch Attraktivität oder Intelligenz zeichnen ihn aus; er ist dumm, faul und dick. Seine Qualitäten liegen in der Hingabe für Familie und Freunde. Er arbeitet im Atomkraftwerk, da er mit diesem Job seine Familie besser finanzieren kann, als mit seinem vormaligen Herzensjob in einem Bowlingclub. Ansonsten mag Homer im Alltag Bier und Beef. Er hat etwas von Diogenes an sich. Es geht ihm nicht um hehre Ziele, einem Streben nach dem letzten Urbild der Wirklichkeit, sondern darum, in der Hängematte zu liegen und seine Ruhe zu haben. Wie Diogenes wird auch er sagen: „Geh mir nur ein wenig aus der Sonne“, wenngleich er die Grenze des Genusses da setzt, wo seine Familie in Gefahr ist. Amerikanische Werte sollen schließlich gewahrt bleiben. Epikur glaubte nicht, dass Götter sich für das Leben der Menschen interessieren. Homer scheint auch nicht sonderlich an die Kraft des Gebets zu glauben, aber erstrebenswert scheinen ihm Schinken, Familie und Lebensfreude zu sein sowie ab und zu ein kühles „Duff“ Bier.

Ganz anders ist es um Homers Nachbarn Ned Flanders bestellt. Ned Flanders ist gleichsam der Anti-Homer, ein strenger Protestant und in jedem Atemzug darum bedacht bloß alle göttlichen und kirchlichen Gesetze strengstens einzuhalten. Mitunter telefoniert er auch nachts mit dem Pfarrer, wenn er sich in sündigen Gedanken wähnt. Ned Flanders unterdrückt permanent seine Aggressionen, wodurch er eine chronische Unechtheit an den Tag legt, die sich verbal mit dadaistischen Lauten wie „okely-dokely“ bemerkbar macht. Ned Flanders, der biedere Schnauzbart- und Brillenträger, mag eine Kritik an einigen sonderbaren Formen des Christentums in den USA darstellen, was er darüber hinaus für sich selbst offenlegt ist, dass seine Art des Radialglaubens krank macht. Ned Flanders übertreibt alles derart, dass sein Christentum letztlich wie ein Antihumanismus wirkt, der psychische Schäden hinterlässt. Die Botschaft, die mitschwingt kann daher nur lauten: Nimm es nicht so ernst, sonst wirst du krank. Lieber Genussagnostiker sein wie Homer als „Ned“. Wenn man die lautmalerische Gleichheit im Deutschen des Wortes „Ned“ und „nett“ betrachtet, schwingt in der deutschen Simpsonsausgabe eine indirekte Kritik mit, die es im Englischen nicht gibt.

Homer aus Vorbild?

Will Matt Groening Homer letztlich implizit als Vorbild präsentieren? Soll Kritik an zu größer Frömmigkeit und Intelligenz geübt werden? Es gibt eine Folge, in der ein hart arbeitender Kollege von Homer, Frank Grimes, ein Workaholic und self-made man, aus purer Wut über Homers privaten und beruflichen Erfolg bei dessen gleichzeitiger Inkompetenz verrückt wird. Grimes fasst in die Starkstromleitung stirbt dabei und mit den Worten „Ich brauche keine Sicherheitshandschuhe, Ich bin Homer Simpson“. Ein übertriebenes Verlangen nach Gerechtigkeit und Erfolg hat Grimes verrückt werden lassen und in den Tod geführt. Homer hingegen genießt weiter und schnarcht sabbernd auf Grimes Beerdigung. Als er dabei zu reden beginnt, gibt es allgemeines Gelächter. Sabbernde Somniloquie siegt lachend über die Tragik des einsamen Todes. Welch eine Botschaft.

Also lieber den „Homer Way of Life“ wählen? Es gibt eine Folge, in der herauskommt, dass Homer nur deswegen eine eingeschränkte Intelligenz besitzt, da er Stifte in Gehirn hat. Als diese in einer OP entfernt werden, erkennt er, dass das Leben mit Intelligenz schwerer ist. Schließlich entscheidet sich Homer dafür, dass die Stifte wieder in sein Gehirn geführt werden. Er ist lieber dumm und glücklich als klug und traurig. Was soll uns das sagen? Gibt es eine pädagogische Agenda der Simpsons? Vielleicht will die Simpsons Serie auch nur zum Nachdenken anregen. Über die philosophisch-pädagogische Intention der Serie kann man letztlich nur spekulieren. Dazu müssten auch weitere Charaktere wie Homers Frau Marge, und seine Kinder Bart und Lisa analysiert werden. Was will die Serie? Vielleicht gar nichts anderes als Lebenserfahrungen rezipieren. Und diese scheinen so zu sein, dass Diogenes mit Familiensinn mehr Weisheit besitzt als übertriebenes Streben nach Perfektion.

Josef Jung

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