Foulspiel im Strafraum: Warum kein Tor fallen darf

Foto: dpa / picture-alliance Bei einer Weltmeisterschaft und an jedem Wochenende beobachtet man immer wieder, dass Profis sich gegenseitig verletzten – durch Foulspiel. Man setzt die Gesundheit des anderen aufs Spiel, riskiert einen Elfmeter, eine Gelbe, und wenn man nachgetreten hat, eine Rote Karte. Das geschieht, obwohl die Profis für ihre Berufsausübung darauf angewiesen sind, dass sie gesund bleiben. Warum gibt es keine Verabredung, dass man gewisse Grenzen nicht überschreitet, zumal die Zuschauer das zum Großteil gar nicht ansprechend finden, wenn gefoult wird. Vor allem, wenn man Frauen als Fußballfans gewinnen will, sollte man auf solche Fouls verzichten.

Es wird aber jetzt weniger gefoult, weil die Freistöße immer raffinierter ausgeführt werden. Ein Strafstoß in Tornähe muss unbedingt verhindert werden, so spielen jetzt viele Mannschaften. Selbst die Italiener, die früher ganz anders konnten. Weil sie jetzt weniger foulen, haben sie mehr Sympathie.

Der Gegner ist der Feind

Fußballspiel führt die Tradition von Städtekämpfen fort. (Das steht in der Traditiondes Fußballs, Früher gab es den Kampf Dorf gegen Dorf in England. Wer den Ball auf den Friedhof des anderen Dorfes brachte oder gegen den Kirchturm traf, hatte gewonnen)

Auch die Ritter trafen sich, um sich mit eine langen Lanze gegenseitig vom Pferd zu stoßen. Ähnlich geht es auch im Fußball darum, den Gegner auszuschalten, ihn aus dem Spiel zu werfen. Aber anders als unter Rittern fliegt nicht nur der aus dem Sattel Gestoßene raus, sondern zuerst einmal derjenige, der ein Bein gestellt, getreten, den anderen umgestoßen hat. Zudem gilt Mitgefühl und Sorge dem Gefoulten, während der andere als unfair angesehen wird. Fair ist ja, den Gegner nicht auszuschalten, sondern durch bessere Spielzüge zu überwinden. Ein Tor gegen eine Mannschaft, von der ein Spieler wegen Foulspiels vom Platz gestellt wurde, bringt lange nicht so viel Ehre wie das gegen einen ebenbürtigen Gegner erzielte. Aber es nicht nur dieses archaische Relikt, warum es zum Foulspiel kommt.

Der Ball darf nicht ins Tor

Vergleicht man Fußball mit Handball, dann fallen im Fußball sehr viel weniger Tore. Im Handball gewinnt der, der möglichst viele Tore geschossen hat, im Fußball die Mannschaft, die ihr Tor am besten verteidigt hat. Noch deutlicher ist es beim Basketball. Auch hier kann man nicht zu Null spielen und muss daher sehen, möglichst viele Körbe zu werfen. Deshalb wiegen ein Tor bzw. ein Korb bei diesen Ballspielen lange nicht so einschneidend. Zudem ist im Fußball sehr viel schwieriger, einen Ausgleichstreffer zu landen. Das erklärt, warum Tore im Fußball emotional ein sehr viel größeres Gewicht haben, wenn eine Mannschaft eines erzielt hat wie umgekehrt ist der gefühlsmäßige Absturz für die Mannschaft groß, das der Gegner geschossen hat.  Das erklärt, warum sich Abwehrspieler zu Fouls hinreißen lassen: Der Gegner darf auf keinen Fall ein Tor schießen. Es kommt etwas hinzu:

Ein erfolgreicher Torschuss bricht einen Bann

Beim Basketball fällt der Ball aus dem Korb wieder ins Feld. Beim Fußball wie auch beim Handball muss der Ball über die Linie gerollt, geflogen sein. Damit erhält ein Tor etwas Unwiederbringliches. Hinter der Linie ist die Verteidigung machtlos, der Ball ist in eine andere Welt entschwunden. Das zeigt der Vergleich zum Golf: Wenn er mit drei Schläge der Ball nicht im Loch verschwindet, dann gibt es immer noch einen vierte und fünfte Möglichkeit. Man fällt dann zwar punktemäßig zurück, aber man bleibt bis zum Ende im Spiel. Anders im Fußball: Da man den Ball nicht wieder zurückholen kann, fängt das Spiel in der Mitte wieder an. Auch der Mannschaft, die das Tor erzielt hat, kann man es nicht mehr nehmen.

Fußball hat etwas von der Endgültigkeit einer anderen Welt
Weil der Ball in eine andere Welt gelangt ist, stellt sich bei der Mannschaft und ihren Anhängern, die das Tor erzielt haben, ein befreiendes Glücksgefühl ein. Wenn kein Tor fällt, bleibt ein fader Geschmack zurück, anders als bei einem Unentschieden. Denn das Besondere des Fußballs ist die Überschreitung des Spielfeldes. Das zeigt der Vergleich mit den Gefühlsreaktionen, die nach einem gewonnen Tennismatch eintreten. Es gibt zwar auch eine positive Stimmung, aber keinen Jubel, die Spieler gehen in einer Haltung der Erschöpfung vom Platz. Wenn sie eine Trophäe, einen Pokal gewonnen haben, wird der nicht wie beim Fußball durchs Stadion getragen. Auch beim Schach bleibt alles im Feld unseres Lebens, keine Grenze wird überschritten. Deshalb stellt sich beim Fußball nach einem Tor wie auch nach einer Meisterschaft ein Gefühl der Vergänglichkeit ein. Das normale Leben in der Form des Spiels geht zwar weiter, aber der Ball ist in eine andere Welt, in der das Tor für immer gilt, entrückt. Eigentlich müsste mit einem anderen Ball weiter gespielt werden.

Weil, anders als im Handball, beim Fußball meist nur wenige Tore zu bejubeln bzw. zu verkraften sind, gewinnt das Endgültige ein solches Gewicht. Das Tor lässt bei den Verlierern all die Erfahrungen wieder anklingen, wo etwas endgültig verloren, kaputt gegangen, zerstört worden war. Der Fußball spiegelt, wohl mehr als andere Sportarten, unsere Lebenserfahrungen. Tore, also dass es etwas zu bejubeln gibt, gelingen uns auch nur wenige im Leben. Niederlagen, die uns aus dem Spiel werfen, dass wir etwas unwiederbringlich verlieren, eine Krankheit, die uns mit einem Handicap zurücklässt, dass wir „rausfliegen“, verlassen werden, uns etwas zerbricht, das erleben wir intensiv, wenn unsere Mannschaft ein Tor hinnehmen muss. Wie im Leben fürchten wir, dass es nicht bei einem Tor bleibt, sondern dass wir noch weitere einstecken müssen.

Wie im Fußball gilt auch im Leben gilt die Regel: Ein Foul macht nur alles schlimmer, der andere bekommt einen Elfmeter und wir müssen vom Platz.

Eckhard Bieger S.J.

Foto: dpa / picture-alliance 

Niederlagen im Fußball: http://www.kath.de/lexika/fussballreligion/niederlagen.html

Es fehlen im Fußball die kompetenten Propheten: http://www.kath.de/lexika/fussballreligion/propheten.html

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